Das Buch der Gesichte
Filmarchiv (work in progress)— D 2014–open end
HD Video, color
Film-Projekt von Michael Busch
„Gesichte“ sind Trug- und Traumbilder, Sinnestäuschungen, Blendwerk innerer Landschaften. Wer „Gesichte“ sieht, befindet sich in einem Übergangsraum, in einem undefinierten Dazwischen. „Gesichte“ gibt es auch im japanischen Noh-Theater. Da treffen reale Menschen auf Erscheinungen von Seelen bereits Verstorbener, Geister, die keine Ruhe finden.
Das Buch der Gesichte ist eine Sammlung von Obsessionen aus einer Zwischenwelt, die die Unsere durchdringt, Welten, die sich übereinanderlegen, die sich wie zwei ausgestanzte Videobilder überlappen, und doch im verräterischen Grün der Haarlocken ihre Fremdheit verraten. Seine Basis ist das fotografische Standbild, das Stillleben, die gefrorene Pose. Der Film wird ein Fotobuch in der Zeit, das buchhafte daran wie die Seite einer Facebook Chronik, einem Sammelsurium aus kurzen Clips, Fotos, Texten, Kommentaren, subjektiv entgrenzt.
Das alte Wort „Gesichte“ wird oft im christlichen Sinne definiert. Durch Gesichte macht Gott seinen Willen bekannt. Das Buch der Offenbarung besteht aus einer Folge von Gesichten. Gesichte transzendieren das Gesicht als Antlitz und sprechen dem Portrait eine weitere Dimension zu, (- die der Trugbilde, der Sinnestäuschungen, der Wahnvorstellungen).
Der sizilianische Seemann Filipo Bentivegna (1888-1967) zieht sich wegen einer unerfüllten Liebe von der Seefahrt ganz auf ein geerbtes Grundstück auf den Hügeln über der Stadt Sciacca zurück und beginnt damit, Gesichter und Köpfe zu modellieren. Mit diesen Gesichtern lebt er in einer eigenen selbstmodellierten Welt. Jedem einzelnen Kopf gibt er einen Namen. Über einen Zeitraum von fünfzig Jahren schnitzt er Gesichter in die Bäume, fertigt sie aus Ton, haut sie aus Stein, drapiert sie zu Hunderten im Garten seiner Villa Incantata.
Er erschafft sich sein eigenes Facebook und füllt es mit allen seinen imaginären Freunden.